Frauen bauen

Frauen bauen

Kolumne von Eike Becker, "Immobilienwirtschaft" 02/2016

Work-Life-Balance? In einer von Männern des Babybooms dominierten Welt? Kann das gehen, wenn wir Weltmeister werden wollen? Oder werden Old-Boys-Networks schon bald vergangenen Zeiten angehören?

Die Immobilienbranche ist keine Frauendomäne. Zu bestaunen ist das jedes Jahr wieder auf der Mipim im Frühjahr und auf der Expo Real im Herbst. Hier versammeln sich die so genannten Entscheidungsträger. Und das sind ehrgeizige Kerle in neuen, dunklen Anzügen. Wenig hat sich hier in den vergangenen 20 Jahren verändert. Krisen wechseln mit Boomzeiten, aber die Old Boys bleiben exklusiv. Junge, langbeinige Attraktionen dürfen helfen. Aber Frauen in Führungspositionen sind immer noch die Ausnahme in dieser Anpacker-Branche.

Machismen und Macho-Männer schotten sie ab. Sie ist dadurch für die allermeisten Frauen unattraktiv. Ein Desaster für die Gesellschaft. Wie viel besser könnten Häuser und Städte sein, wenn mehr Frauen mitsprechen, planen, entscheiden würden!

Teilhabe

Frauen haben es jedoch in diesem Immobilien-Biotop schwer. Auch wenn die Emanzipation und die Feminisierung in anderen Teilen der Gesellschaft unaufhaltsam voranschreiten.
Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe in Führungspositionen verpflichtet über 100 börsennotierte Unternehmen, ab 2016 im Aufsichtsrat mindestens 30 Prozent der Posten mit Frauen zu besetzen. Diese und 3.500 weitere Unternehmen müssen außerdem Zielvorgaben für den Frauenanteil im Vorstand und in zwei weiteren Führungsetagen veröffentlichen. Auf meiner Suche nach den Gründen, warum die Immobilienbranche meint, ohne Frauen auszukommen, bin ich hier fündig geworden: Ein erfolgreicher Immobilienunternehmer und seine Leiterin der Projektentwicklung trennen sich einvernehmlich, nachdem diese auf dem Flughafen in Frankfurt wieder einmal ihren Flieger verpasst hat und ihre Tochter auf der Straße vor dem Kindergarten in Berlin wieder einmal vergeblich wartete. Work-Life-Balance? Wie soll das denn gehen, wenn wir Weltmeister werden wollen?

Die männliche Prägung in den Führungsetagen hat zu Vorstellungen einer Karriere geführt, die auf der Erfahrung eines Mannes mit einer ununterbrochenen, ausschließlichen Erwerbstätigkeit beruhen. Dadurch werden Führungskräfte mit typisch männlichen Eigenschaften wie Dominanz, Selbstsicherheit, Autonomie verbunden. Das führt dazu, dass Führungspositionen von meist männlichen Arbeitgebern eher mit Männern in Verbindung gebracht werden. Aktuelle Forschungsergebnisse (z.B. GIL, Soziologisches Institut der RWTH Aachen) lassen jedoch deutlich daran zweifeln, dass Führungseigenschaften eine Frage des Geschlechts sind, sondern eine der Persönlichkeit. Männer und Frauen sind gleichermaßen für Führungspositionen geeignet.

Männerkultur

Anne Morrison mit ihrem Team hat die Phänomene, die verhindern, dass Frauen in Führungspositionen aufsteigen, bereits 1987 unter dem Begriff Gläserne Decke zusammengefasst. Sie meint damit vor allem die Männerkultur in Unternehmen. Denn die immer wieder neue Besetzung von Positionen von Männern mit Männern führt zu einer Manifestierung der derzeitigen Situation. Wenn dann noch dazu der Aufstieg in die Führungsetagen großer, hierarchischer, männerdominierter Unternehmen zumeist zwischen dem 30. und dem 35. Lebensjahr stattfindet, haben Frauen aufgrund von Geburten und der darauf folgenden Aufteilung traditioneller Rollenerwartungen nur eine eingeschränkte Teilhabe am Arbeitsleben. Sie gehen so häufig bei der Besetzung der Top-Positionen leer aus.

An einem Mangel an Qualifikation kann es nicht mehr liegen. Seit 1999 gehen Schülerinnen mit höheren Abschlüssen aus den Schulen als Jungs. Seit 2006 sind die Hochschulabsolventen in der Mehrheit junge Frauen. Bei einer Klasse der IMMOebs in Regensburg war ich erfreut festzustellen, dass über 70 Prozent der Teilnehmer weiblich waren. Das, was ihnen aber im Beruf Schwierigkeiten bereiten kann, sind die Beurteilungskriterien, nach denen ihre Karrierechancen verteilt werden.

Karrieren in Deutschland werden auch von einem Wettbewerb um Anwesenheitszeiten und kommunikative Präsenz bestimmt. Ein Achtstundentag muss über Meetings an der Bar noch verlängert werden. Auch das Wochenende kann man in der Regel vergessen. Und man sollte immer erreichbar sein. Nur wer sein Privatleben der Firma opfert, zeigt ausreichende Motivation. Ein Projekt oder ein Unternehmen muss so geleitet werden, dass ein normaler Achtstundentag nicht ausreicht. Das ist doch klar!

Aber ein Blick nach Skandinavien zeigt auch andere Möglichkeiten. Wer als Führungskraft in Stockholm nach 17:00 Uhr am Schreibtisch sitzt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit auf seine Familienprobleme angesprochen. Minister haben dort Heimarbeitsplätze und Top Manager kaufen am Nachmittag im Supermarkt für die Familie ein. Von Führungskräften wird zunehmend verlangt, dass sie sich auch um ihre Familien kümmern. Sonst gelten sie als Minderleister, die ihr Leben nicht im Griff haben und ein Risiko für die Firma sind.

Generation Y

Die Rettung ist auch in Deutschland in Form der Generation Y in Sicht. Sie hat ihr Berufsleben gerade begonnen und ist die erste Generation, die wirtschaftlich unabhängig ist und ein ausgewogenes Leben führen will. Na, so was! Für die Zukunft lässt sich erwarten, dass auch die Immobilienwirtschaft zunehmend auf qualifizierte, weibliche Führungskräfte angewiesen ist. Denn über die sozialen und moralischen Argumente hinaus gibt es wirtschaftliche und qualitative Gründe, Frauen und Männer im Arbeitsleben gleichzustellen.

Wie Frauen die Unternehmen beeinflussen, ist bekannt. Sie sind nicht unbedingt die besseren Führungskräfte, sorgen aber für mehr Vielfalt. Sie bringen andere Perspektiven ein, kommunizieren mehr innerhalb der Gruppe und gehen weniger Risiken ein. Gemischte Teams sind deutlich erfolgreicher und produzieren bessere Ideen als Gruppen aus lauter Gleichen (Sheryl Sandberg, Adam Grant, How Men Can Succeed..., New York Times).

Gemischte Teams

Demnach sind Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil in der Leitung erfolgreicher als ausschließlich von Männern geführte (z.B. Studie der US-Frauenorganisation Catalyst). Was ich meine, wird durch ein Erlebnis deutlich: Bei einem Bauvorhaben geht es um Wohnen und Arbeiten in einem Gebäude. Schnell sind alle anwesenden Männer sich einig, das geht nur mit separaten Aufzügen. Warum? Ernstgemeinte Antwort: Sonst müsste ja der Rechtsanwalt mit der Mutter und dem Kinderwagen zusammen fahren! Unzumutbar!

Aber es gibt auch Hoffnung: Auf einem Neujahrsempfang berichtet ein Notar, der ein Start-Up-Unternehmen mit Gründern, Geburtsjahr 1985, betreut. Als es in dem Gesellschaftervertrag um die Babypause für die Gründer während der ersten, entscheidenden drei Jahre des Unternehmens geht, meint der Notar, ganz Babyboomer, natürlich eine einmalige Pause. Doch alle Gründer waren sich einig, dass das selbstverständlich für jedes Kind gelten soll. Das erste Förderprojekt, auf das sich die Jury des Fonds Perspektive vor einem Jahr einigen konnte, war L’ESPACE FÉMININ von Niche Berlin. Wie verändern Frauen unsere Städte?, war die Ausgangsfrage für den diskursiven Prozess. Gemeinschaftliche Nutzungen öffentlicher Räume, die Beteiligung von Jugendlichen an Planungsprozessen, die Stadt der kurzen Wege, gemischte Quartiere, die Wiedereingliederung sozial Schwacher und kooperative Strategien waren einige der vorgestellten Themen.

Die Old-Boys-Networks sind bald eine kuriose Erinnerung an längst vergangene Zeiten.