"Die Branche muss selber ran". Eike Becker in der Immobilienzeitung 08/23

"Die Branche muss selber ran". Eike Becker in der Immobilienzeitung 08/23

Meiner Meinung nach erfüllen wir als Immobilienwirtschaft unsere Aufgaben für die Gesellschaft bei weitem nicht so, wie es sein müsste. Wir müssen besser werden, um die Herausforderungen zu meistern. Eine Diskussion über Aufgaben und Selbstverständnis der Branche ist überfällig.

Wo ist zum Beispiel die Roadmap für eine klimaneutrale Immobilienwirtschaft? Wo sind die Konzepte für kostengünstigen und durchmischten Wohnungsbau? Auf solche Fragen liefert die Branche keine ausreichenden Antworten. Viel zu oft erlebe ich, dass Unternehmen sich eher als Opfer von Entscheidungen der öffentlichen Hand sehen, als dass sie sich ergebnisoffen mit den Institutionen an den Tisch setzen. Sie sollten viel öfter konkrete Erwartungen formulieren, eigene Ideen liefern und deutlich machen, was uns daran hindert, die Arbeit besser zu machen. Selbstkritisch und offen diskutieren sollte die Branche übrigens auch aus ganz egoistischen Gründen. Sie steckt gerade in einer großen Krise. Und die kann sie nicht lösen, indem sie auf niedrige Zinsen hofft und dann die alten Rezepte aus dem Boom aufwärmt.

Um nur ein paar der Vorschläge aus der Streitschrift zur Diskussion zu stellen: Damit Kapazitäten bei den Bauämtern frei werden, könnte man Architekten als Gutachter nutzen, um Bauanträge zu prüfen. Beim Brandschutz und der Statik praktizieren die Behörden das heute schon. Diese Anträge könnten gleich digital genehmigungsfähig gemacht und als BIM-Modelle eingereicht werden. Die Behörden, die so entlastet werden, könnten dann endlich die großen Probleme angehen und der Kirchturmpolitik endlich ein Ende machen. Dazu können großflächige Bebauungspläne für die Innenstädte und ein weitreichendes Planungsrecht in den Metropolregionen gehören.

Um Städte lebenswerter zu gestalten, schlagen wir ein Bewertungssystem vor, das nach dem Vorbild des ESG-Ratings Vergleichbarkeit herstellt, die politischen Entscheider motiviert und eine Spirale zum Besseren freisetzt. Einige Vorschläge sind nicht neu, wurden aber bisher nicht umgesetzt. Dafür müssten nämlich verschiedene Kompetenzträger unbefangen miteinander streiten und dann zusammenarbeiten. Denn keine einzelne Gruppe der am Bau Beteiligten kann diese komplexen Aufgaben alleine bewältigen.

Falls jemand das für nicht umsetzbar hält, wäre ich interessiert, die Gründe zu erfahren. Zudem freue ich mich über weitere und bessere Ideen. Ich bin überzeugt, dass bei einem substanziellen und ambitionierten Streit viele gewinnen können.