Wer baut, macht Politik

Wer baut, macht Politik

Eike Becker: „Partizipation darf kein Particitainment sein."

Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid möchten zwei Drittel aller Bürger in Bau- und Planungsprozesse miteinbezogen werden. Das ist gut so, denn für die Nachhaltigkeit einer Stadt ist es entscheidend, dass alle Bürger die Möglichkeit haben, sich einzubringen. Aber wir müssen den Planungs- und Meinungsbildungsprozess effizienter organisieren und besser machen. Denn  nach einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik sind zwar 49 Prozent der Kommunen mit der aktuellen Form der Bürgerbeteiligung zufrieden – allerdings nur sieben Prozent der Bürger. Die Politik scheint an den Erwartungen der Bürger „vorbeizupartizipieren“. Der Frust Bürger rührt vielfach daher, dass sie statt mitzugestalten einfach ein fertiges Konzept präsentiert bekommen. Die als „ergebnisoffener Dialog“ titulierte Bürgerbeteiligung verkommt dann zum reinen "Particitainment".


Wie Partizipationsprozesse zur Farce werden, ließ sich kürzlich beim Projekt Blankenburg-Süd beobachten: In einem zweijährigen Vorplanungsprozess hatten sich Anwohner und Planer darauf verständigt, dass 6000 Wohnungen errichtet werden sollen. Bei der Eröffnung des offiziellen Partizipationsverfahrens wurde verkündet, dass aus den ursprünglich geplanten 6.000 Wohnungen 10.000 werden sollen. Die Bürger fühlen sich vor den Kopf gestoßen und ließen ihrem Unmut freien Lauf. Zu Recht, wie ich finde.

 

Kommunale Beteiligungsverfahren sind noch jung und befinden sich aktuell in der Erprobungsphase. Handbücher und Leitlinien müssen vielfach noch erarbeitet werden. So auch in Berlin, wo ein Gremium aus Bürgern, Politik und Verwaltung im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung derzeit einen Partizipationsleitfaden für die Bürgerbeteiligung erarbeitet.

 

Welchen Beitrag können wir als Architekten für mehr Partizipation leisten? Wir müssen uns kritischer mit unseren Aufgaben und unserem Umfeld auseinandersetzen. Denn da läuft vieles völlig falsch. Denn wir sind nicht nur unserem Auftraggeber verpflichtet, sondern haben auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Dafür sind wir durch unsere breit aufgestellte Ausbildung gut qualifiziert. Wir haben eine Menge Wissen über die unterschiedlichen Gruppen, die am Prozess der Stadtgestaltung beteiligt sind. Dieses Know-how müssen wir stärker und selbstbewusster einbringen – damit es in politischen Entscheidungsprozessen in Zukunft mehr echte Partiziptaion und weniger Particitainment gibt.